Romana Klär beschreibt, wie das Ernten funktioniert:
Das Prinzip der Ernte habe ich bei Birgit Schreiber kennengelernt und in meinen Schreiballtag übernommen. Auch in meinen Gruppen gebe ich ihn weiter.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, nach einem Freewriting etwas als Ernte mitzunehmen: Etwa mit vorgegebenen Satzanfängen:
- Mir fällt auf, dass …
- Wenn ich das lese, spüre ich/möchte ich/erkenne ich …
- Ich bin überrascht, dass…
Ohne diese bewusste Reflexion – den „feedback loop“, wie Kate Thompson das in Therapeutic Journal Writing nennt -, würde mir im Schreibprozess etwas Entscheidendes fehlen: Die Methode hat viel mit der Frage nach der (heilsamen) Wirkung von Schreiben zu tun. Ich schreibe ja nicht nur zum Zeitvertreib frei vor mich hin, ich möchte, dass es mir „etwas bringt“, wenn ich meinen Fokus auf einzelne Schreibimpulse lenke.
Ich gewinne kleine und größere Erkenntnisse oder merke, was es macht, wenn ich von einem anderen Blickwinkel auf mich/auf eine Situation/ein Erleben schaue. Ich möchte, dass mein Leben, mein Reden, mein Handeln bewusster, verständlicher, heiler für mich wird. Das ist die große Ernte.
Oft wirkt ein Erntesatz lange nach. Manchmal ist es ein Wort, das hängenbleibt, eine neue Idee, die ich aufgreife, ein Gefühl, das ich zulasse. In jedem Fall verschafft mir das Ernten eine konkrete Essenz – einen wesentlichen Kern, aus dem heraus etwas Neues wachsen kann.
Wie immer gibt es keinen Erwartungsdruck, vor allem nicht in einer Gruppe: Es darf auch einmal nichts rauskommen, kein kluger Einfall, kein Aha-Effekt. 😊
Aber Vorsicht: das kommt selten vor!
Oder ich nehme den Satz und das Wort und das Gefühl und bastle mir eine Collage zusammen, schreibe ein Elfchen oder einen Brief. Und während ich die Karte und das Kuvert aus der Lade hole, kommt ein ganz anderer Aspekt zutage und die Ernte war der Anstoß für eine Handlung.
Viel Freude beim Schreiben und Ernten!