An dieser Stelle schreibe ich für Euch über die Methoden, die das Journal Writing zu dem machen, was es manchmal für uns ist: Magic. Magisch.
Wir schreiben und geraten unversehens in eine andere, bessere Stimmung. Wir schreiben und finden eine unerwartete Lösung. Wir schreiben und ein Kummer ist plötzlich weniger groß.
Manche der Methoden kennst Du aus anderen Kontexten, viele scheinen simpel, denn sie kommen leichtfüßig daher, alle machen das Losschreiben leicht und etliche sind schon in wenigen Minuten umgesetzt. Und doch sind dies wirkungsvolle Techniken, die auf langjährigen Erfahrungen mit dem heilsamen Schreiben beruhen.
Viele Methoden, die Du in den gemeinsamen Schreibmonaten kennen lernst, stammen aus dem Basis-Koffer fürs Journaling, dem Journal to the Self-Basis-Kurs. Ich lege ihn Dir wärmsten ans Herz, falls Du noch nicht dabei warst. Dort kannst Du jede einzelne Methode noch intensiver ausprobieren und kennen lernen, als es hier in diesem Jahreskurs möglich ist.
Eine der Techniken aus dem Basis-Werkzeugkoffer ist die Momentaufnahme.
Was kann die Momentaufnahme?
Wir haben sie schon genutzt, um uns in gute Stimmung zu bringen, um schöne Momente zu vertiefen, um Erinnerungen aufzuheben und um Erlebnisse festzuhalten, die uns wichtig sind.
Außerdem ist sie eine hervorragende Fingerübung für das Schreiben mit allen Sinnen, das uns zu einem ganzheitlicheren Denken und Fühlen bringt und unseren Körper zu unserer Freundin, unserem Freund machen kann.
Schließlich können Momentaufnahmen unser Schreiben vertiefen, detail- und facettenreicher machen. So wird unser Stil vielseitiger und unsere Texte spannender. Nicht umsonst üben Journalist:innen das Schreiben mit allen Sinnen in Weiterbildungen.
Am allerwichtigsten finde ich jedoch, dass Momentaufnahmen die Magic Potion #3 fördern, unsere Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit. Wir sind bio-psycho-soziale Wesen, empfindungsfähige und empfindsame Wesen, die sich über ihren Körper mit der Welt verbinden.
Ist diese Verbindung oder auch Resonanz (vgl. Hartmut Rosa) gestört oder unterbrochen, kann uns das auf lange Sicht schwächen oder krank machen. Wir gehören nicht mehr dazu, gehören uns selbst nicht mehr, und verlieren oft auch Lebensmut.
Positiv gewendet heißt das: Wer mit allen Sinnen achtsam lebt und schreibt, hat die Chance, gesünder und mit mehr Wohlbehagen zu leben.
Zu den guten Eigenschaften von Momentaufnahmen füge ich heute noch drei hinzu:
- Sie helfen, gute Erfahrungen in unseren Erinnerungen zu installieren, so dass sie uns in Gegenwart und Zukunft stärkend zur Verfügung stehen.
- Sie können dafür sorgen, nicht so guten Erfahrungen neue Aspekte abzugewinnen.
- Und sie können sogar negative Erlebnisse mit guten Aspekten überschreiben.
30 Sekunden, um Gutes zu verankern?
Doch damit wir wirklich eine Verdrahtung in unserem Gehirn ändern und eine Erinnerung sich verändert, braucht es ein bisschen Zeit. Der Grund liegt in der Arbeitsweise unseres Gehirns. Deborah Ross spricht davon, dass es in unserem Gehirn so etwas wie eine Teflon-Beschichtung für das Positive gibt. Das heißt, gute Erfahrungen werden nur kurz gespeichert und werden nicht lang genug aufbewahrt, um in das Langzeitgedächtnis zu gelangen. Die schlechten Erfahrungen dagegen haften an unserem Gehirn an wie die beiden Laschen eines Klettverschlusses aneinander: Schnell und sicher.
Das hat anthropologische Gründe, darüber haben wir ja schon öfter gesprochen. Es war einst hilfreich, damit wir Gefahren gut speichern konnten, etwa die Stelle, an der uns der Wolf angegriffen hat oder die Schlangen lauerten.
Heute ist es dagegen hilfreich, gute Erfahrungen und eine optimistische Sicht zu verankern, nicht nur um das Leben angenehmer zu machen, sondern auch, um die Welt positiv zu verändern. Es ist höchste Zeit.
Aber das ist ein anderes Thema.
Damit gute Erfahrungen ins Langzeitgedächtnis gelangen, braucht es mindestens 30 Sekunden, in denen wir uns ganz darauf fokussieren. Es ist also hilfreich, eine gute Erinnerung 30 Sekunden mit allen Sinnen im Geiste zu bewegen und dann aufzuschreiben. Dann kann sie Teil unserer Biografie werden.
Momentaufnahmen tun genau das: Sie fokussieren uns für eine kleine Weile auf positive Erfahrungen und helfen, sie in der Erinnerung zu verankern.
Wie kann man schlechte Erfahrungen überschreiben?
Um Negatives zu wenden, um vielleicht eine neue Sicht auf Ereignisse zu entwickeln, können wir ebenfalls mit Momentaufnahmen arbeiten. Der Trick, den uns Deborah Ross in einem Workshop im Juni 2021 verraten hat, braucht ein bisschen Übung. Und zwar geht es darum, eine negative Erfahrung kurz aufzurufen, um sie dann wie durch ein Kaleidoskop zu betrachten, von allen Seiten zu schauen, ob es auch positive Aspekte oder Bewertungsmöglichkeiten gibt und diese positiven Facetten dann 30 Sekunden zu spüren und daran zu denken. Danach lohnt es sich, die Situation mit diesen neuen Facetten aufzuschreiben.
Wenn wir in Zukunft an dieses einst negative Ereignis erinnern, können wir feststellen, dass sich die neue Erinnerung damit verbunden hat, der positive Aspekt überdeckt den alten Schmerz und kann ihn ersetzen, weil wir eine neue Perspektive etabliert haben.
Probiert es gerne aus!
Eure Birgit